5. Aufforderung zum Erwerb oder Bezug
6. Unmittelbarkeit der Aufforderung
7. Verhältnis zum Jugendmedienstaatsvertrag
Gesetzestext
Anhang Nr. 28 zu § 3 Abs. 3 UWG
Unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne des § 3 Absatz 3 sind
die in eine Werbung einbezogene unmittelbare Aufforderung an Kinder, selbst die beworbene Ware zu erwerben oder die beworbene Dienstleistung in Anspruch zu nehmen oder ihre Eltern oder andere Erwachsene dazu zu veranlassen
BGH, Vers.Urt. v. 17.7.2013, I ZR 34/12, Tz. 16 – Runes of Magic
Nach Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG, der die Regelung in Nummer 28 des Anhangs 1 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken umsetzt und demgemäß richtlinienkonform auszulegen ist, ist die in eine Werbung einbezogene unmittelbare Aufforderung an Kinder, selbst die beworbene Ware zu erwerben oder die beworbene Dienstleistung in Anspruch zu nehmen oder ihre Eltern oder andere Erwachsene dazu zu veranlassen, stets unzulässig im Sinne von § 3 Abs. 3 UWG.
Kinder
Ob unter den Begriff Kinder im Sinne der Richtlinie auch Jugendliche nach deutschem Recht fallen, ist noch nicht abschließend geklärt. Personen unter 14 werden jedenfalls als Kinder angesehen (s. BGH, Vers.Urt. v. 17.7.2013, I ZR 34/12, Tz. 18 – Runes of Magic; BGH, Urt. v. 3.4.2014, I ZR 96/13, Tz. 16 - Zeugnisaktion).
Aufforderung an Kinder
Eine Aufforderung an Kinder liegt vor, wenn sich eine Werbung jedenfalls auch gezielt an Kinder richtet. Demgegenüber genügt eine Werbung nicht, die Kinder nur als Teil der allgemein angesprochenen Verkehrskreise anspricht. Ebensowenig dürfte es genügen, wenn die Werbung sich gezielt an Jugendliche richtet und einzelne Kinder sich nur am Rande mitangesprochen fühlen (, es sei denn, Jugendliche sind auch Kinder im Sinne der Vorschrift). Der Adressatenkreis ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen.
BGH, Urt. v. 12.12.2013, I ZR 192/12, Tz. 30 - Goldbärenbarren
Da Nr. 28 des Anhangs nicht jede an Kinder gerichtete Werbung untersagen will (vgl. Erwägungsgrund 18 Satz 4 der Richtlinie 2005/29/ EG), ist für die Anwendung dieser Bestimmung entscheidend, dass Kinder jedenfalls gezielt angesprochen werden. Nicht erfasst ist dagegen eine an jedermann gerichtete Werbung, von der sich auch Kinder angesprochen fühlen können (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO Anh. zu § 3 III Rn. 28.7).
KG Berlin, Urt. v. 1.12.2015, 5 U 74/15, B.1.a.aa.bbb
Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG will nicht jedwede an Kinder gerichtete Werbung untersagen, sondern lediglich die gezielte Ansprache von Kindern.
Die Abgrenzung ist allerdings schwierig. Denn
BGH, Urt. v. 18.9.2014, I ZR 34/12, Tz. 24 – Runes of Magic II
Die dem Schutz von Kindern dienende Verbotsvorschrift der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ist nicht nur anwendbar, wenn ausschließlich oder zumindest hauptsächlich Kinder Adressat von unmittelbaren Kaufaufforderungen in einer Werbung sind. Andernfalls würde ihr Anwendungsbereich weitgehend leer laufen, da Werbung sich häufig nicht nur an einen eng oder genau umgrenzten Adressatenkreis richtet, sondern regelmäßig Konsumentengruppen verschiedener Altersstrukturen anspricht. Der gesetzliche Schutzzweck der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG entfällt deshalb nicht schon dann, wenn "gemischte" oder sogar überwiegend aus Erwachsenen bestehende Zielgruppen angesprochen werden.
BGH, Urt. v. 18.9.2014, I ZR 34/12, Tz. 26 – Runes of Magic II
Für die den Schutz von Kindern bezweckende Vorschrift der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass Kinder jedenfalls gezielt angesprochen werden (BGH, GRUR 2014, 686 Tz. 30 - Goldbärenbarren).
In der ersten Runes of Magic-Entscheidung hieß es noch dass Kinder und Jugendliche in erster Linie angesprochen werden müsten (BGH, Vers.Urt. v. 17.7.2013, I ZR 34/12, Tz. 19 – Runes of Magic).
Ob Kinder angesprochen werden, ist eine Frage des Einzelfalls:
BGH, Urt. v. 18.9.2014, I ZR 34/12, Tz. 25 – Runes of Magic II
Gegenstand der Beurteilung anhand der Vorgaben dieser Vorschrift ist nicht ein konkretes Produkt, sondern die (werbliche) Aufforderung, dieses zu erwerben. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht entscheidend darauf an, von welcher Konsumentengruppe das von der Beklagten angebotene Rollenspiel tatsächlich überwiegend gespielt wird, wenn ... jedenfalls auch Kinder zu der Spielergruppe gehören und diese ... Adressaten einer in eine Werbung einbezogenen unmittelbaren Kaufaufforderung sind.
BGH, Vers.Urt. v. 17.7.2013, I ZR 34/12, Tz. 19 – Runes of Magic
Für diese Beurteilung genügt für sich allein genommen zwar nicht schon die mittlerweile auch bei der werblichen Ansprache von Erwachsenen nicht mehr unübliche Anrede mit „Du". Die streitgegenständliche Werbung ist jedoch im Gesamtzusammenhang zu beurteilen. Sie wird sprachlich von einer durchgängigen Verwendung der direkten Ansprache in der zweiten Person Singular und überwiegend kindertypischen Begrifflichkeiten einschließlich gebräuchlichen Anglizismen geprägt. Dies reicht aus, um eine gezielte Ansprache Minderjähriger, und zwar auch Minderjähriger unter 14 Jahren, zu bejahen.
KG Berlin, Urt. v. 1.12.2015, 5 U 74/15, B.1.a.bb
Für die Annahme einer gezielt an nicht erwachsene Personen gerichteten Werbung reicht die mittlerweile auch bei der werblichen Ansprache von Erwachsenen nicht mehr unübliche Anrede in der zweiten Person nicht aus. Maßgeblich ist der Gesamtzusammenhang der Werbung.
BGH, Urt. v. 12.12.2013, I ZR 192/12, Tz. 28 - Goldbärenbarren
Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG kann auch bei einer Gewinnspielkopplung anwendbar sein, wenn Kinder unmittelbar zum Kauf des gekoppelten Produkts aufgefordert werden (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO Anh. zu § 3 III Rn. 28.9). Eine unmittelbare Aufforderung zum Kauf setzt aber einen Kaufappell voraus, für den eine Ansprache im Imperativ typisch, jedoch nicht unerlässlich ist (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, Anh. zu § 3 III Rn. 28.8; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, Anh. zu § 3 Abs. 3 Rn. 61; Mankowski, WRP 2008, 421, 423). Dagegen ist nicht erforderlich, dass die Aufforderung im Wege eines Direktkontakts zum umworbenen Kind erfolgt, da die Vorschrift anderenfalls weitgehend leer liefe (vgl. Fezer/Scherer aaO Anh. UWG Nr. 28 Rn. 14; Mankowski, WRP 2008, 421, 423).
BGH, Urt. v. 3.4.2014, I ZR 96/13, Tz. 16 - Zeugnisaktion
In der Aussage "Komm damit zu Media Markt und kassier beim Kauf eines Produkts deiner Wahl für jede Eins € 2" liegt ein an Kinder gerichteter Kaufappell.
KG Berlin, Urt. v. 1.12.2015, 5 U 74/15, B.1.a.aa.ccc
Die tatsächliche Zusammensetzung der Mitspieler bei einem Online-Spiel kann ein Indiz für die Alterszielgruppe sein kann. Regelmäßig dürfte ein Dienstleistungsangebot zumindest überwiegend in der Altersgruppe Erfolg haben, für die es von vornherein gedacht war.
Werbung
BGH, Vers.Urt. v. 17.7.2013, I ZR 34/12, Tz. 23 – Runes of Magic
Der Begriff der Werbung im Sinne der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ist weder im Gesetz noch in der Richtlinie 2005/29/EG definiert. Er geht zurück auf die Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung (heute Art. 2 Buchst. a RL 2006/114/ EG). Danach bedeutet Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich auch ohne die Darstellung konkreter Produkte mit hinreichender Deutlichkeit, dass die angegriffene Aussage „Schnapp Dir ..." im Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit der Beklagten steht, die unzweifelhaft auf den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen gerichtet ist.
Siehe zum Begriff der Werbung auch hier.
Aufforderung zum Erwerb oder Bezug
BGH, Vers.Urt. v. 17.7.2013, I ZR 34/12, Tz. 21 – Runes of Magic
Die konkrete Art und Weise der beanstandeten Aussage „Schnapp Dir ..." enthält eine „Aufforderung zum Erwerb" im Sinne der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG. Entscheidend ist, ob ein Kaufappell vorliegt Dafür ist eine Ansprache in der grammatikalischen Form eines Imperativs zwar nicht unerlässlich, aber doch ausreichend. Dies ist bei der im Sinne von „Kauf Dir..." oder „Hol Dir..." zu verstehenden Formulierung „Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse ‚Etwas'!" der Fall.
BGH, Vers.Urt. v. 17.7.2013, I ZR 34/12, Tz. 22 – Runes of Magic
Eine gezielte persönliche Ansprache von Kindern im Rahmen einer Verkaufsveranstaltung ist nicht erforderlich, da der Anwendungsbereich der Vorschrift andernfalls weitgehend leerliefe und der Schutzzweck damit nicht erreicht würde. Werbung gegenüber Kindern erfolgt typischerweise in Print- und Telemedien. Die dadurch drohende leichte Beeinflussung bei einer Kaufentscheidung ist nicht geringer als bei einer Direktansprache. Denn gerade bei einer Ansprache über das Internet lässt sich der so geweckte Erwerbsentschluss besonders schnell realisieren.
Wenn eine gezielte Aufforderung sich (auch) gezielt an Kinder richtet, kommt es nicht mehr darauf an, ob sich der Erwerbsentschluss unmittelbar umsetzen lässt.
BGH, Urt. v. 18.9.2014, I ZR 34/12, Tz. 31 – Runes of Magic II
Lässt sich aus den Gesamtumständen eine unmittelbare Aufforderung zum Erwerb feststellen, bedarf es für die Anwendung der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG keiner weitergehenden Feststellungen dazu, dass sich der auf den verbotswürdigen Kaufappell hin gefasste Erwerbsentschluss unmittelbar umsetzen lässt. Ausreichend für die Annahme einer unmittelbaren Aufforderung zum Erwerb im Sinne der Verbotsvorschrift ist allein das Vorliegen einer Aufforderung, bei der kein zusätzlicher, vom Umworbenen (gedanklich) zu vollziehender Schritt zwischen Aufforderung in der Werbung und Entstehung des Erwerbsentschlusses erforderlich ist, sondern der Erwerbsentschluss auf einen Kaufappell hin sogleich gefasst werden kann (BGH, GRUR 2014, 298 Rn. 25 - Runes of Magic, mwN). Dass dieser Entschluss sogleich in einen Kauf umgesetzt werden kann, ist keine tatbestandliche Voraussetzung der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG. Dies gilt für eine Werbung im Internet in gleicher Weise wie für jedes andere Werbemedium. Allein entscheidend ist, dass der Nutzer die Internetseite mit dem Kaufappell und die mit einem Link verknüpfte Internetseite als zusammengehörig ansieht.
Unmittelbare Aufforderung
BGH, Vers.Urt. v. 17.7.2013, I ZR 34/12, Tz. 25 – Runes of Magic
Das Unmittelbarkeitskriterium dient der Abgrenzung von bloß mittelbaren oder indirekten - und damit nicht tatbestandsmäßigen - Aufforderungen, die sich für die Werbeadressaten erst aus den Umständen ergeben und bei denen ein zusätzlicher, vom Umworbenen (gedanklich) zu vollziehender Schritt zwischen Aufforderung in der Werbung und Entstehung des Erwerbsentschlusses erforderlich ist.
BGH, Urt. v. 3.4.2014, I ZR 96/13, Tz. 19 - Zeugnisaktion
Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmungen muss sich der Kaufappell auf ein konkretes Produkt oder mehrere konkrete Produkte richten. Es genügt nicht, wenn nur ein globaler Kaufappell ausgesprochen wird. Dazu zählt auch die allgemeine Aufforderung, ein Geschäft aufzusuchen. An einer unmittelbaren Aufforderung zum Kauf der beworbenen Ware fehlt es auch, wenn kein konkretes Produkt genannt, sondern das gesamte Warensortiment beworben wird.
BGH, Vers.Urt. v. 17.7.2013, I ZR 34/12, Tz. 25 – Runes of Magic
Ob eine Werbung eine unmittelbare Aufforderung zum Kauf von Produkten enthält, ist aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds der angesprochenen Konsumentengruppe, mithin eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Kindes zu beurteilen.
Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls.
Beispiel:
BGH, Vers.Urt. v. 17.7.2013, I ZR 34/12, Tz. 25 – Runes of Magic
Dass durch die angegriffene Aussage direkt zum Kauf aufgefordert wird, ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem imperativen Appell „Schnapp Dir die günstige Gelegenheit" und nicht erst aus den sonstigen Umständen. Unerheblich ist, dass diese günstige Gelegenheit" im unmittelbaren Kontext der Werbung selbst (noch) nicht näher hinsichtlich der angebotenen Produkte oder Dienstleistungen konkretisiert ist. Das steht der Annahme einer „unmittelbaren Aufforderung" im Sinne der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG im Streitfall nicht entgegen.
Allerdings ist umstritten - und wurde vom BGH offen gelassen -, ob es für die Anwendung der Nr. 28 der Schwarzen Liste erforderlich ist, dass in der Werbung bereits der Preis und die Merkmale des beworbenen Produkts genannt werden, weil die Umworbenen nur durch die essentiellen Produktinformationen in die Lage versetzt würden, sich für oder gegen den Kauf zu entscheiden. Nach anderer Ansicht ist zwar wegen des insoweit eindeutigen Wortlauts die konkrete Angabe der „beworbenen Ware", nicht aber - auch im Blick auf die Schutzbedürftigkeit der angesprochenen Kinder - die Angabe von Preis und Merkmalen des beworbenen Produkts in der Werbung erforderlich (BGH, Vers.Urt. v. 17.7.2013, I ZR 34/12, Tz. 26f – Runes of Magic; BGH, Urt. v. 3.4.2014, I ZR 96/13, Tz. 19 - Zeugnisaktion).
Der BGH orientiert sich an dem Begriff der Aufforderung zum Kauf in § 5a Abs. 3 UWG.
BGH, Vers.Urt. v. 17.7.2013, I ZR 34/12, Tz. 28 f – Runes of Magic
Nach Art. 2 Buchst. i der Richtlinie 2005/29/EG müssen die Merkmale des Produkts und der Preis in einer Weise angegeben werden, die den Mitteln der verwendeten kommerziellen Kommunikation angemessen ist. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dazu bereits entschieden, dass die Frage, in welchem Umfang ein Gewerbetreibender im Rahmen einer Aufforderung zum Kauf über die wesentlichen Merkmale eines Produkts informieren muss, durch die nationalen Gerichte im Einzelfall unter Berücksichtigung der Beschaffenheit und der Merkmale des Produkts sowie des verwendeten Kommunikationsmediums zu erfolgen hat. Dies habe vor dem Hintergrund zu geschehen, ob der Verbraucher hinreichend informiert sei, um das Produkt im Hinblick auf eine geschäftliche Entscheidung identifizieren und unterscheiden zu können. Dabei könne nicht unabhängig von der Form, in der die kommerzielle Kommunikation erfolge, derselbe Grad an Genauigkeit in der Beschreibung eines Produkts verlangt werden (EuGH, Urt. v. 12.5.2011, C-122/10, Rn. 45 und 48 – Konsumentenombudsmannen/Ving).
Dies ist auch bei der Auslegung der hier maßgeblichen Vorschrift der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG zu berücksichtigen.
Internet
Im Internet reicht es aus, wenn die einzelnen Merkmale, die zur Annahme einer unmittelbaren Aufforderung zum Kauf führen, auf miteinander verlinkten Seiten stehen - soweit der unmittelbare Zusammenhang dadurch nicht verloren geht.
BGH, Vers.Urt. v. 17.7.2013, I ZR 34/12, Tz. 31 f – Runes of Magic
Bei einer Werbung im Internet sind die Gewohnheiten der Internetnutzer zu berücksichtigen, die mit den Besonderheiten des Internets vertraut sind und wissen, dass Informationen zu angebotenen Waren auf mehreren Seiten verteilt sein können, die untereinander durch elektronische Verweise verbunden sind. ... Die durch einen elektronischen Verweis miteinander verbundenen Internetseiten sieht der von der Werbung der Beklagten angesprochene Verbraucher als zusammengehörig an. Hat er diese Seite aufgerufen, wird er über die Preise und die Beschaffenheit der angebotenen Ausstattungsgegenstände hinreichend informiert, ohne dass es dazu noch weiterer Zwischenschritte oder eines Suchens bedarf (vgl. auch EuGH, Urt. v. 12.5.2011, C-122/10, Rn. 56 – Konsumentenombudsmannen/Ving, zu Art. 7 Abs. 4 Buchst. i der Richtlinie 2005/29/EG; BGH, Urt. v. 20.7.2006, I ZR 228/03, Tz. 22 - Anbieterkennzeichnung im Internet).
Nach den im Streitfall gegebenen Umständen stellt sich die Notwendigkeit der Betätigung des Links nicht als ein zusätzlich zu überwindender Schritt dar, der zwischen Aufforderung und Erwerbsentschluss vom Umworbenen erst noch vollzogen werden muss. Anderenfalls könnte die dem Schutz von Kindern dienende Bestimmung der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG leicht dadurch umgangen werden, dass die Informationen über das beworbene Produkt auf zwei durch einen Link verbundene Seiten verteilt werden, an den die Verbraucher gewöhnt sind und der für sie regelmäßig kein Hindernis darstellt, um an notwendige Produktinformationen zu gelangen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Internet es dem kindlichen Verbraucher ermöglicht, einen auf den angegriffenen Appell hin gefassten Erwerbsentschluss sogleich in die Tat umzusetzen. Eine zum Kauf auffordernde Werbung im Internet ist in ihrer suggestiven Wirkung für den kindlichen Verbraucher einer entsprechenden Werbung in den Printmedien deutlich überlegen, weil die Umsetzung des Kaufentschlusses nicht erst den Besuch eines Geschäftslokals oder - im Falle des Versandhandels - eine schriftliche oder telefonische Bestellung voraussetzt.
Vom BGH aufgehoben: OLG Köln, Urt. v. 29.9.2012, 6 U 53/12 - Goldbarren für Goldbären (BGH, Urt. v. 12.12.2013, I ZR 192/12 - GLÜCKS-WOCHEN).
Verhältnis zum Jugendmedienstaatsvertrag
BGH, Urt. v. 12.12.2013, I ZR 192/12, Tz. 32 - Goldbärenbarren
Bedenken gegen eine Anwendung des Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG könnten sich daraus ergeben, dass es sich vorliegend um audiovisuelle kommerzielle Kommunikation im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziffer ii und Buchst. h der Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste handelt. Insoweit wird im Schrifttum unter Berufung auf Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG teilweise angenommen, die Bestimmung des Art. 9 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2010/13/EU, die durch § 6 Abs. 2 JMStV umgesetzt wird, habe Vorrang vor Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG in Verbindung mit Nr. 28 des Anhangs und schließe dessen Anwendung aus (zu Art. 9 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2010/13/EU oder den Bestimmungen der zuvor gültigen einschlägigen Richtlinien Fezer/Scherer, UWG, Anhang UWG Nr. 28 Rn. 7; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, Anhang zu § 3 Abs. 3 Rn. 28.18; Mankowski, WRP 2008, 421, 429; vgl. auch Regierungsentwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb aaO S. 34).
Der BGH hat diese Frage in der Entscheidung offen gelassen.
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Omsels, Online-Kommentar zum UWG: